Mittwoch, 12. September 2012

Wiederum Wordsworth - unverhofft


aus: Marivaux; "Le jeu de l'amour et du hasard"*

Herr Dietrich H. Fischer hat großzügigerweise dem allgemeinem Publikum seine Übersetzungen von William Wordsworth ins Netzt gestellt. Darauf hatte ich schon hier verwiesen.

Vorgestern nun traf ein freundliches e-mail von ihm ein, worin er mitteilt, dass er inzwischen auch The Climbing of Snowdon übersetzt hat, Die Besteigung des Snowdon, aus: The Prelude (1805), Book XIII (1-73). Und schon sind wir entrückt nach Wales. Mir klingt noch von Night at the Proms vom 7. September Straussens Alpensinfonie in den Ohren, und Ähnliches an Eindrücken und Empfindungen hat William Wordsworth in seinen Versen aufgehoben. Bei Strauss sind es Schafe mit ihren Glöckchen, hier der rührige Schäferhund, der einen Igel aufstöbert; dort ist es ein gewaltiges Unwetter, hier undurchdringliche Nebelschwaden und dann das gleißende Licht des Monds - aber besser, wir folgen Schritt auf Schritt.

In one of these excursions, travelling then
Through Wales on foot and with a youthful friend,
I left Bethkelet’s huts at couching-time,
And westward took my way to see the sun
Rise from the top of Snowdon. Having reached
The cottage at the mountain’s foot, we there
Roused up the shepherd who by ancient right
Of office is the stranger’s usual guide,
And after short refreshment sallied forth. [….]

Bei einer dieser Exkursionen damals
zu Fuß durch Wales mit einem Jugendfreund
verließ die Hütten ich von Beddgelert
zur Bettgehzeit und meinen Weg ich nahm
nach West, dem Sonnenaufgang zuzuschaun
vom Gipfel aus des Snowdon. Als erreicht
das Häuschen wir am Fuß des Berges, auf
wir weckten da den Schäfer, der dem Fremden
gemäß althergebrachtem Recht und Amt
gewöhnlich hier als Führer dient. Und bald
nach kurzer Stärkung brachen wir dann auf. [….]
Immer noch ist deutschsprachig bis auf die Ausgabe beim  Verlag Straelener Manuskripte nichts im Buchhandel lieferbar, weswegen ich Fleiß und Hingabe von Herrn Fischer hier ausdrücklich preise.

Für einen Wordsworth'schen Eindruck vom Snowdon fand ich im Internet ein stimmungsvolles Bild hier, auf der Seite eines Besteigers unserer Tage. Ich hätte schon Lust, hinzureisen, und auf Wordworths Spuren eine eigene Begegnung mit dem Snowdon zu versuchen. (Schiefer gefällt mir auch; mein Vater war Künstler und hat Schiefer als Hintergründe für Mosaiken verwandt.)

Piper
Zurück zu Wordsworth. Er tauchte anderso völlig unerwartet auf, und zwar im Roman des Isländers Jón Kalman Stefánsson, den ich gerade mit großer Freude gelesen habe, ein Buch geschenkt von Freunden. Der Roman heißt Himmel und Hölle, und ich will nicht zu viel verraten. Wir lernen vom harten Leben der Dorschfischer. Und das ist das Jahr: “Émile Zola hat einen Roman veröffentlicht, 100 000 Exemplare sind davon in den ersten drei Wochen verkauft worden.” ** Und der nächste Satz ist aufschlußreich für den Spannungsbogen, in dem die Handlung erzählt wird: “Der Junge blickt kurz auf und versucht sich 100 000 Menschen vorzustellen, die alle das gleiche Buch lesen, aber eine solche Menschenmenge kann man sich kaum vorstellen, schon gar nicht, wenn man so nah am Polarkreis lebt.”
Es geht um gefesselte Leser und um rauhes Fischerleben auf offenem Meer. Also ist es nun schon nicht mehr ganz so verwunderlich, wenn es auch um einen alten blinden Kapitän geht und um eine Schale, (aus der er seinen Kaffee trinkt,) die einst in William Wordsworths Besitz gewesen sein soll: 
“Die Schale hatte etliche Shilling gekostet, denn immerhin hatte sie einmal einem berühmten Dichter gehört, William Wordsworth, der der Welt viele Gedichte geschenkt hatte, von denen einige noch immer über dieser gequälten und von sich selbst eingenommenen Menschheit strahlten.”
There you have it, sagt der Engländer – da, bitteschön!

Reclam

Reclam
Der Roman Himmel und Hölle von Jón Kalman Stefánsson ist von Karl-Ludwig Wetzig aus dem Isländischen übersetzt worden und erschien im Piper Verlag. Neben dem Piper Verlag hat sich auch Reclam um weitere Werke von Stefánsson verdient gemacht.
* Edition: Nouveaux Classiques Larousse, Montrouge, 1966
** das könnte 1867 gewesen sein, als Thérèse Raquin erschien.



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